Vietnam, Kambodscha, Thailand und Myanmar – zwischen Traum und Realität
Rezension von Jürgen Hermann
Tor Farovik beschreibt Reisen in vier Länder Südostasiens und führt seine Leser „In Buddhas Gärten“.
Der norwegische Autor widmet sich Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma (Myanmar) und damit Staaten, deren jüngere Vergangenheit mit Ausnahme von Thailand von Krieg, Gewalt und Diktatur beeinflusst oder geprägt war. Zugleich handelt es sich um Völker, welche im Buddhismus verwurzelt sind; die tiefe Religiosität der Menschen hat Farovik im Verlauf der vier Reisen, auf denen die Beschreibungen beruhen, mit großem Respekt beobachtet.
Das Buch behandelt die reale Situation vor Ort sowie zeitgeschichtliche Ereignisse weit umfangreicher als die – wenngleich ebenfalls beschriebene – Geschichte Buddhas und des Buddhismus oder Szenen aus Siddharthas Leben. Es lebt ganz wesentlich von der Schilderung von Menschen, denen Farovik zwischen Mekong und Irrawaddy begegnet ist, sowie von Erlebnissen und Eindrücken im Verlauf seiner Reisen.
So beschreibt er die Tet-Zeremonie bei einer vietnamesischen Familie, besucht in der Hauptstadt den Literaturtempel sowie die Parfümpagode und trauert gemeinsam mit Madame Noi, in deren kleinem Familienhotel er wohnt, dem Verschwinden des alten Hanoi nach. Viele Seiten widmet er dem Vietnamkrieg, seinen Hintergründen und Folgen, dem Schicksal der Boat people und der Rückkehr von Exilvietnamesen in ihre Heimat.
Ebenso eindringlich wie die Schilderung des Besuchs im vietnamesischen My Lai, dem Ort des von amerikanischen Soldaten 1968 verübten Massakers, ist die Beschreibung der Ereignisse in Kambodscha während der Terrorherrschaft der Roten Khmer. Nachdem noch König Sihanouks Vorgänger als Monarch die Tage dösend in der Hängematte zu verbringen pflegte, geriet das Land wenig später in den Strudel von Krieg, Diktatur und Völkermord.
Farovik beschreibt Szenen aus dem heutigen Phnom Penh sowie die Befindlichkeit der kambodschanischen Nation, ehe er sich ins Landesinnere begibt (und im Ort Skuon ein recht schauriges kulinarisches Erlebnis hat). Die Tour gilt einem überaus interessanten Gespräch mit Saloth Nhep, dem letzten noch lebenden Bruder von Saloth Sar – welcher, unter dem Namen Pol Pot, als Despot und Massenmörder in die Geschichte des 20. Jahrhunderts einging.
Über die Tempelanlagen von Angkor reist Farovik nach Thailand weiter, findet selbst in Bangkok „verborgene Perlen“ und besucht mit dem Isaan den rückständigsten, aber auch authentischsten Teil des Königreichs. Die ethnische Vielfalt der Menschen, Ehevermittlungsagenturen und ein Elefantenkrankenhaus sind Beobachtungen aus Thailands Nordosten.
Birma (Myanmar) prägt mit Rangun und seiner traumhaften Shwedagon-Pagode die Eindrücke Faroviks, ehe er auf dem Irrawaddy nach Bagan mit seiner kaum überschaubaren Zahl von Tempelruinen – „der schönsten Ebene der Welt“ – und später nach Mandalay weiterreist. Er beschreibt die politische Realität in dem seit Jahrzehnten vom Militär beherrschten Land sowie Aung San Suu Kyis Kampf für die Demokratie und greift die Diskussion auf, ob Birma als Touristenziel taugt oder aus politischen Gründen gemieden werden sollte.
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Skurrile Auswirkungen hatte der Aberglauben schon immer. Die staatliche Unabhängigkeit proklamierte man auf Anraten von Astrologen um 4:20 Uhr nachts. Weil der Diktator Ne Win in diesem Denken verhaftet war, druckte das Land Geldscheine zu 15, 30, 45, 75 und 90 Kyat. Heute sind diese Banknoten begehrte Souvenirs für Touristen. Schacht berichtet über die schwierige Geschichte des Landes vor und nach der Unabhängigkeit 1948, erläutert die Völkervielfalt – 54 Millionen Einwohner und 153 Völker bzw. Volksgruppen weist die „Republik der Union Myanmar“ auf – und beleuchtet die starke Machtposition der Tatmadaw, der nationalen Streitkräfte, die noch immer das Sagen haben im Staat und in ihrer neuen Hauptstadt Naypyidaw.
Der Autor empfiehlt seine bevorzugten Hotels und Restaurants, gibt Tipps zur Visabeschaffung in Bangkok und weist zurecht darauf hin, dass Myanmar eigentlich die korrekte Bezeichnung für den vielen weiterhin als Burma bekannten Staat ist. Er berichtet von Reisen durchs Land, die einfacher sind als früher (damals hieß es, Yangon sollten Ausländer wegen der miserablen Straßen und Schienen nur auf dem Luftweg verlassen), und führt seine Leser sowohl in den hohen Norden als auch an die Strände der Andamanensee.
Er präsentiert zwischendurch das Kochrezept seines Lieblingsgerichts, lobt die landestypischen Lackarbeiten und widmet ein Kapitel der legendären „Road to Mandalay“, d.h. dem Fluß Irrawaddy/Ayeyarwady. Wer die Kyaiktiyo-Pagode besuchen will, den Goldenen Felsen bei Bago, dem legt er angesichts des steilen Aufstiegs in der Hitze ans Herz, den Service der dortigen Sänftenträger anzunehmen, auch wenn eine solche Dienstleistung dem europäischen Besucher eigentlich widerstrebt. Die Augen sollte der Tourist in Myanmar (und generell in Asien) übrigens stets offen halten, denn Gehwege, so Schacht, weisen Schlaglöcher bis zur Größe einer Kinderbadewanne auf.
Die Reisebeschreibungen sind unterhaltsam und hinterlassen einen bleibenden Eindruck; Anekdoten und Einblicke in die asiatische Mentalität runden das Buch ab. So ist in Birma der Vertreter für Schreibmaschinen noch absolut im Zeittrend, und wer wissen will, wie man zu einem wohlschmeckenden Kokosnussfrosch kommt, erfährt dazu die Details genauso wie zu dem allgegenwärtigen Geisterglauben vieler Asiaten. Dass Farovik Hanoi zu seiner asiatischen Lieblingsstadt kürt, kann der Rezensent – längst selbst dem Zauber Südostasiens verfallen – nur allzu gut nachvollziehen.
Tor Farovik: In Buddhas Gärten. Eine Reise nach Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma [OT: Buddhas barn. En reise blant mennesker]. 509 Seiten (mit Bildteil, Zeittafel und Literaturliste). Malik National Geographic Taschenbuch, München 2009.