Meinung: Air Berlin verkauft seine Vielflieger
Deutschlands zweitgrößte und seit Jahren – ausgenommen vom Sommerquartal – zumeist hochdefizitäre Fluglinie Air Berlin scheint vor größeren Problemen zu stehen als angenommen: Nach einem Rundumschlag vom Vorstandvorsitzenden Hartmut Mehdorn sowie der Ankündigung, Jobs abzubauen und Flugzeuge zu verkaufen und damit noch mehr Strecken zu streichen, kam heute der Hammer: Air Berlin verkauft seine Vielflieger… – oder offiziell sein Vielfliegerprogramm.
Ein Vielfliegerprogramm ist bei teuren Fluglinien, welche Kunden nicht über den Preis gewinnen können, das größte Kapital: Denn um einen Status und damit verbundene Vorteile zu bekommen, fliegen viele Kunden häufig mit der gleichen Airline oder Ihren Allianzpartnern, um Status- und Prämienmeilen zu sammeln: Wer viel liegt, darf zur Belohnung in die Lounge und bekommt dort gratis Erfrischungen und Knabbereien. Seit dem Oneworld-Beitritt ist die vorher an Lounges chronisch unterversorgte Air Berlin für diese Flieger attraktiver geworden, da Fluggäste auch an Airports außerhalb Deutschland die Lounges der Oneworld-Partnerfluglinien wie Cathay Pacific, Japan Airlines, British Airways oder Finnair nutzen können. Einige dieser Lounges – zum Beispiel in Hong Kong, Sydney, Tokyo oder Helsinki – gehören zu den besseren Lounges auf dieser Welt und bieten eine Qualität, die man so aus Deutschland nicht kennt.
Die Airline bekommt neben der Treue ihrer Kunden vor allem viele wertvolle Daten: Viele Kunden nutzen auch die Programmeigene Kreditkarte, um zusätzliche Meilen zu sammeln, oder schließen über das Programm Zeitungsabonnoment ab. So verfügen die Vielfliegerprogramme über weit mehr Daten als nur die reinen Flugbewegungen, Buchungsklassen und Ticketpreise. Wenn man es böse formulieren möchte: Das Vielfliegerprogramm kennt einen fast besser als man sich selbst kennt.
Solange diese Daten bei der „Lieblingsairline“ lagern, ist das kein Problem. Wird ein Vielfliegerprogramm aber einen externen Investor verkauft, kann dieser auch auf die Daten zugreifen und diese zumindest (im Idealfall nur dafür) für Werbezwecke nutzen. Denn der wahre Schatz eines Vielfliegerprogramms sind die Daten der Kunden: Wer weiß, was solche Datenpakete auf dem Markt kosten, weiß, warum es so attraktiv für eine Airline ist das Programm zu verkaufen: Es spült kurzfristig einen Cashflow – das Air Berlin dringend benötigt, um den hohen Verschuldungsgrad zu senken – in die Kassen.
Langfristig verkauft man aber seine Kundenbindung: Das Vertrauen der Vielflieger, die selbst bei schlechteren Preisen bei Air Berlin gebucht haben – um Statusmeilen zu sammeln. Gerade diese Kunden sind für eine Airline immens wichtig: Der Wechselkunde, der sich nach reinem Preis-Leistungsverhältnis richtet, kann nur mit dem Preis oder einem verbesserten Service gelockt werden: Und beides kostet die Airline Geld, was Air Berlin nicht hat. Der normale sich informierende Kunde fliegt mit Emirates nach Bangkok weil Service und Preis besser sind, aber auch schon mal mit US Airways in die USA oder China Airlines nach Peking: Hier muss sich die Airline im Markt behaupten: Genau das kann Air Berlin wie die zahlreichen Streckeneinstellungen zeigen aber nicht.
Spannend bleiben zwei Fragen: Wer ist der Käufer? Und was bedeute dies für den Kunden? An sich bleiben zwei Möglichkeiten: Man verkauft Top-Bonus mit allen Bestandskunden an ein anderes Vielfliegerprogramm von einer Partnerairline. Oder man verkauft es an einen externen Investor? Doch was will ein externer Investor mit Vielfiegern? Geld verdienen die Vielfliegerprogramme kaum – profitieren tun die Airlines selbst, weil diese teurere Tickets an den Endkunden bringen können, da er um seinen Status zu bekommen mehrfach mit der gleichen Fluglinie fliegen muss und dies später wieder tut, um die Vorteile nutzen zu können. Ein Vielfliegerprogramm selbst ist – ausgenommen vielleicht von Miles&More wo man heute zumeist schon mehr Meilen durch Zeitungsabos, Kreditkarten, Bankkonteneröffnungen, Mietwagen, Hotelbuchungen oder Versicherungsabschlüsse sammelt als über den Wolken – zumeist nicht profitabel.
Der größte Wert für einen Investor sind also die persönlichen Daten der Kunden zum Profiling. Das macht Angst: Im besten Fall geht es nur um personalisierte Werbung: Wer oftmals von Hamburg nach München fliegt, bekommt dann passende Mietwagen- und Hotelangebote. Doch ob das einem Investor reicht? Vielelciht werden auch die Phantasieabagben namens Steuern und Gebühren noch höher geschraubt? Schon heute sind Kauftickets – insbesodnere innerhalb Europas – oft billiger als Freiflüge mit Meilen. Werden die Meilen durch das Heraufsetzen der für einen Flug notwendigen Meilenmenge entwertet? Wie man es nicht machen sollte und Kunden schnell verprellt, hat ja Lufthansa kürzlich erst vorgemacht.
Ein Vielfliegerprogramm ohne Fluglinie? Also ein Payback mit Airlinebranding?
In jedem Fall werden viele Vielflieger in diesem Fall vermutlich abwandern: Denn Konkurrenz gibt es ja genügend: Ich kann bei Air Berlin Flügen auch bei allen Oneworld-Partnern wie BA Executive Club oder bei Qantas sammeln. Übrigens sind Prämienflüge im Executive Club innerhalb Europas deutlich billiger, weil nur eine Pauschale und eben keine Phantasiegebühren berechnet werden. Alleine die Ankündigung des Verkaufs dürften viele User zum Nachdenken bewegen: Und wenn diese erst einmal andere Programme prüfen und fesstellen, dass dort sogsr mehr geboten wird, ist es das Anfang vom Ende – des Treue-Programms und der treuesten „Hochpreiskunden“. Genau der Kunden, an denen die Airline am meisten verdient: Denn eines ist auch klar: Um über den Preis zu konkurrieren, ist Air Berlin zu schwerfällig und mit einen absolut luftverkehrsfeindlichen Standort mit Luftverkehrsabgabe und Emissionshandel und hohen Steuern ud Gebühren an den Airports auch benachteiligt. Und beim Service sind die Asiaten, Araber und Ozeanier schon seit vielen Jahren allen Mitteleuropäern weit entflogen…… Es könnte der Anfang vom Ende sein… – was ich nicht hoffe.
Mein erster Gedanke: Oha, muss AB verzweifelt sein……. und mein zweiter Gedanke: Eventuell sollte ich meine Meilen schnell verbraten.
Einen Vorteil hat das Ganze dennoch: Sollte Air Berlin pleite gehen, blieben die Ansprüche gegenüber dem neuen Eigentümer bestehen und die Meilen würden nicht wertlos – alles im Leben hat auch seine guten Seiten.
Und was denkt Ihr? Werdet Ihr das Programm wechseln? Bucht Ihr noch Tickets für die ferne Zukunft mit Air Berlin?
{joscommentenable}