Münster-Osnabrück: Kehrtwende der Geschäftsführung – Billigflieger im Anflug
Schon seit einer Weile hat Europas größter Billigflieger Ryanair ein Auge auf die Studentenstadt Münster als Zielort geworfen: Doch obwohl die Iren mit 79,6 Millionen transportieren Passagieren die größte Airline in Europa und die fünftgrößte Fluglinie der Welt stellen, hat die Geschäftsführung des Flughafens den Iren bislang die kalte Schulter gezeigt: Vor allem aus Loyalität gegenüber der bislang wichtigsten Airline Air Berlin: Doch spätestens seit der Preiserhöhung von 29€ auf 49€ blieben die Flieger meist leer: Rom, Wien, London, Berlin oder München oder zuletzt Anfang Januar Sonnenziele über das Feriendrehkreuz in Nürnberg: Air Berlin gab alle Strecken auf, und so rutschte der Flughafen ebenso wie Air Berlin in die tiefroten Zahlen und droht nun, nachdem auch das ambitionierte OLT-Express-Projekt gescheitert ist, für 2013 gemessen an der Zahl der Passagiere in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden: Scheinbar hat man nun auch in Münster erkannt: Ohne moderne Airlines und günstige Preise keine Passagiere. Die 180-Grad-Kehrtwende – die beim Bürger europaweit beliebten Iren sollen so schnell wie möglich kommen. Es geht wohl nur noch um Stunden.
Nach der Fehleinschätzung mit dem künstlichen „Schutz“ für den Hauptkunden Air Berlin und dem schon fast komisch anmutenden Gastspiel von Jetisfaction und dem – leider – nur kurzweiligen Gastspiel von OLT-Express steht das Management unter Druck: Denn neben Münster verweigern sich nur noch Paderborn-Lippstadt und Frankfurt (Main) aktiv den beliebten Low-Cost-Airlines. Und auch Paderborn befindet sich längst im Existenzkampf. Der FMO ist mit seiner Verweigerungshaltung tief gefallen: Europaweit haben die meisten Flughäfen längst erkannt, dass man die größte Fluglinie des Kontinents nicht aussperren kann: Selbst die großen internationalen Drehkreuze und Kernflughäfen wie Barcelona Prat, Madrid-Barajas, Palma de Mallorca, Alicante, Manchester oder London-Gatwick haben Modelle entwickelt, wie man den Standard der Abfertigung von Ryanair und teuren Fluglinien trennt und trotzdem die Interessen unter einen Hut bringt: Und das mit Erfolg: Denn die Passagierzahlen sind gestiegen – und Ryanair hat den teuren Fluglinien kaum Gäste weggenommen, sondern dem Flughafen vor allem neue Kunden gebracht, die sonst nicht geflogen wären. Denn Geschäftsreisende – die Zielgruppe der teuren Fluglinien – sind nicht die Kunden, die ein Michael O´Leary will. Denn O´Leary bietet weder eine Lounge noch halbleere 50-Sitzer, die 4x am Tag verspätet eine handvoll Schlippsträger zu Geschäftsterminen fliegen: Ryanair fliegt Ziele meist umweltschonend mit einer verbrauchsarmen Boeing 737-800 einmal täglich oder nur einige Male die Woche an, dafür aber gut ausgelastet und mit niedrigen Preisen an. Zudem sind alle Kunden gleich – für die meisten Geschäftsreisenden ein No Go. Damit werden vor allem Städtereisende, Urlaubsreisende, Austauschstudenten und der Ethnic-Travel (z. B. Familienbesuche) angesprochen. Eine Win-Win-Situation also für jeden Airport. Das Prinzip ist einfach: Der Ryanairpassagier kostet den Flughafen kaum Geld, denn dieser will keine Glaspaläste und braucht keine großen Flächen für eine Lounge und andere teure Spielereien, sondern nur einen Warteraum mit einer Toilette. Ryanair will nur landen, Passagiere ein- und ausladen und nach 25 Minuten wieder abheben. Die meisten Flughäfen haben eine entsprechende Gebührenordnung erlassen, die teuren Airlines das langsame Boarding und lange Bodenzeiten und Ryanair das Boarding meist über beide Türen und mit dem Bus und den Turnaround in 25 Minuten erlaubt – zum Beispiel durch unterschiedliche Gebührenmodelle für die verschiedenen Abfertigungsarten. Das, was man zuerst in England, Spanien, Portugal, Italien oder Polen verstanden und erfolgreich umgesetzt hat, scheint nun auch in Münster angekommen zu sein.
Nach „Pleiten, Pech und Pannen“ in jüngster Vergangenheit blieb dem Management aber auch kaum eine andere Wahl, als über den eigenen Schatten in das 21. jahrhundert zu springen und sich den modernen und beliebten Low-Cost-Airlines zu öffnen. Und nun soll es wohl ganz schnell gehen – und eine große Low-Cost-Airline als großer Retter die Bühne betreten: Es geht – so pfeiffen es die Spatzen von den Dächern – nur noch um minimale Details.
Für den Flughafen ist das die letzte Chance: Beispiele, wo Ryanair gescheitert ist, wenn der Flughafen mitzog, gibt es kaum: Wenn sich die Iren mal zurückzogen, dann nur wegen Fehlentscheidungen der Regierungen, die fliegen teurer machten und damit die Flieger nicht mehr füllbar machten oder Flughäfen sich nicht an Vereinbarungen hielten oder Ryanairpassagiere mit überhöhten Gebühren abkassieren wollten. In 99% der Fälle bringt Ryanair nicht nur Passagiere, sondern auch Erfolg, Renommee und Wirtschaftswachstum: Wer würde ohne Ryanair schon Kaunas, Bergamo, Girona, Prestwick oder Shannon kennen? Heute machen viele Europäer dort zum wiederholten Male Urlaub – eine ganze Hostel und Budgethotelindustrie ist entstanden. Dies wird in Münster – das eher ein Outgoing-Markt ist – wohl nicht passieren. Dennoch werden sich auch einige Touristen aus Girona, Bergamo oder Stockholm auf den Weg nach Münster machen: Einfach weil es billig ist: In Bremen zum Beispiel wurden damit sehr gute Erfahrungen gemacht und die Anzahl der Übernachtungen stieg deutlich an: Das ist auch in Münster zu erwarten. Die große Mehrheit werden dennoch die Outgoing-Passagiere stellen, denn zu den ersten Destinationen werden – wie auch in Dortmund – vermutlich die Strandziele Malaga, Alicante, Faro, Girona und Palma de Mallorca mit jeweils zwei wöchentlichen Verbindungen gehören: Damit wird für Familien mit geringem Budget und Studenten der Ausflug in die Sonne endlich wieder bezahlbar. Und der Flughafen profitiert direkt – über Parkgebühren und Umsätze im Duty-Free-Shop oder den Restaurants. Eine späte und unfreiwillige – aber hoffentlich nicht zu späte – Kehrtwende des Managements. Düster sieht es dagegen für Paderborn aus – denn dass Ryanair auch noch nach Ostwestfalen fliegt ist unwahrscheinlich – zumal Kassel-Calden als potentielles neues Ziel in direkter Nachbarschaft liegt. Und eines ist klar: Ohne Low-Cost-Airlines wie Wizzair, Ryanair oder easyJet geht es nicht mehr – wenn man nicht gerade das Drehkreuz einer alten Nationalfluglinie ist.