Reise-Magazin

Ein Sonntag, der die Luftfahrt verändert: Etihad & Turkish Airlines gehen in die Regionen

Emirates, Etihad und Qatar Airways und Flydubai  haben im Rahmen der Dubai Airshow neue Großbestellungen für zusammen über 450 Flugzeuge bekannt gegeben und wollen unvermindert wachsen: Allerdings mit unterschiedlichen Strategien: So hat Etihad Airways heute die Gründung der Marke Etihad Regional operated by Darwin Airlines bekannt gegeben: Dafür übernimmt die Fluglinie aus Abu Dhabi 33,3% der Anteile an der Schweizer Regionalfluglinie, die dann unter dem Namen Etihad Regional (Künftige Bemalung – Foto von Etihad) operieren und neben bestehenden Strecken auch Zubringerdienste für Etihad sowie die Etihad Beteiligungen Air Serbia und Air Berlin fliegen soll. Auf Wachstum in die Fläche setzt auch die Konkurrenz vom Bosporus: Turkish will Kassel-Calden und Münster-Osnabrück über Istanbul mit der großen weiten Welt verbinden: Für Kassel ist es der erste richtige Linienflug überhaupt.

Qatar Airways mit Boeing 787 auf Wachstumkurs.  Foto: Christian MaskosDas sind vor allem gute Nachrichten für Flughäfen und Reisende – insbesondere Flüge nach Asien dürften damit in Zukunft aufgrund der steigenden Konkurrenz der drei Golfairlines untereinander und Turkish Airlines sogar billiger werden. Für Regionen und Flughäfen, die bislang keinen Anschluss an einen internationalen Hub haben, ist es die große Chance mit qualitativ hochwertigen Fluglinien zu bezahlbaren Preisen Anschluss an die Welt zu bekommen – sogar für Flughäfen wie Cambridge oder Kassel-Calden, die auf andere Weise wohl keinen Hub-Anschluss bekommen dürften.

Während Turkish Airlines aufgrund der Verkehrsabkommen relativ leicht neue Ziele in der eruopäischen Union und insbesondere in Deutschland aufnehmen kann, sind genau diese Abkommen seit Jahren das Wachstumshemmnis für Emirates und Etihad in Deutschland und Österreich: Über politischen Druck blockiert die Politik im Interesse der Lufthansa Konkurrenz und damit für den Endkunden konkurrenzfähige Preise: So fordert Emirates seit vilen Jahren eine Anpassung des Luftverkehrsabkommens an die Regeln des 21. Jahrhunderts. Das alte Abkommen aus dem letzten Jahrhundert erlaubt Fluglinien aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nur maxial 4 Flugziele in Deustchland anfliegen zu dürfen – aktuell Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf und München. Dieses Abkommen gilt für alle VAE-Airlines.

Turkish Airlines ist die größere Gefahr für Lufthansa da Sie massiv in die Fläche expandieren können.  Foto: Christian MaskosEin Abkommen aus Zeiten, als es in Dubai zwar viel Öl gab, aber noch niemand an ein Touristenziel dachte: Heute ist Dubai eines der Top-Reise-Ziele der Deutschen und damit die Nachfrage nach Flügen aus allen Regionen hoch: Daher fordert ein Großteil der Tourismuswirtschaft außer Lufthansa das Offensichtliche: Emirates und Etihad die Möglichkeit zu bieten, weitere Standorte wie Stuttgart, Köln-Bonn oder Berlin anzufliegen. Auch die Regionen würden durch verstärkten Incoming-Tourismus profitieren.

Mit der Einführung von Etihad Regional operated by Darwin Airlines können die Araber nun als Schweizer Fluglinie – Darwin Airlines verbleibt mehrheitlich Schweizer Händen – Ziele in der ganzen EU bedienen und damit die Langstreckenjets nach Abu Dhabi füllen. Damit geht Etihad einen komplett andren Weg als Emirates und Qatar Airways, die sich bislang nicht außerhalb ihrer Hubs ind Dubai und Doha engagieren.

„In nur einem Jahrzehnt ist Etihad zu einer bekanntestens und angesehesten Marken in der Luftfahrt geworden. Dieses neue Modell bietet eine neue Richtung für die Marke in Etihad in der Zukunft“, erklärt Etihad Chef James Hogan dazu. Zudem wird es zahlreiche Synergien mit den anderen Etihad Beteiligungen wie der neuen Air Serbia (ehemals JAT) und Air Berlin geben. So soll die neue Regionalairline auch die Drehkreuze von Air Berlin in Düsseldorf und Berlin feedern – mit Strecken, auf denen die Dash 8- Q400 von Air Berlin zu groß erscheinen.

Welche Rolle spielt Air Berlin künftig neben Etihad Regional?   Foto: Christian MaskosBis zum Sommer 2014 sollen insgesamt 21 neue Strecke zu 18 neuen Destinationen in Europa mit Flugzeugen des Typs Saab 200 aufgenommen werden. Für Branchenexperten recht überaschend – da der Regionalflugverkehr mit Kleingerät in Europa zuletzt stark eingebrochen und viele Player aus dem Markt ausgeschieden sind und auch die Low-Fare-Regionalfluglinie FlyBe mit deutlich größerem und damit pro Sitzplatz günstigerem Gerät zuletzt Verluste schrieb.

Zu den neuen Strecken von Etihad Regional gehören unter anderem Flüge von Düsseldorf nach London-City, Cambridge und Berlin-Tegel sowie von Berlin-Tegel nach Poznan und Wroclaw. In der Schweiz wird in Zürich ein Mini-Hub einegrichtet und die Fluglinie bedient ab Zürich in Konkurrenz zu Swiss unter anderem Florenz, Verona, Turin, Leipzig-Halle, Linz, Graz, Lyon und Genf. Etihad nimmt zudem Abu Dhabi Zürich mit einem täglichen Flug auf.

Weitere Flüge von Etihad Regional verbinden Genf mit Bordeaux, Zürich, Belgrad, Marseilles, Nantes und Verona sowie Rom mit Tirana und Zagreb. Damit können Passagiere aus Linz und Graz via Genf mit Etihad in die weite Welt fliegen.

Alle Flüge werden über die globalen Reservierungsysteme und die Webseiten Etihad und Air Berlin buchbar sein.

Im Rahmen der Dubai Air Show hat Etihad heute 17 Boeing 777-900, 8 Boeing 777-800 udn 30 Boeing 787-1000 sowie 50 Airbus A 350 sowie 26 Airbus A 321 NEO und 10 Airbus A320 NEO bestellt. Emirates hat 115 Boeing 777-800 und 35 Boeing 777-900 sowie 50 Airbus A 380 fest bestellt und zusätzliche Optionen gezeichnet. Qatar Airways hat zudem 50 Boeing 777 in noch auszuwählender Version fest bestellt. FlyDubai hat zudem 111 Boeing 737, davon 11 737-800 und 100 Boeing 737 MAX geordert.

Analyse: Etihad greift jetzt in Europa in der Fläche an.  Foto:MäusezahlÜberraschung? Ja und Nein. Mit den Strecken und einer „Etihad Regional“ haben wohl die Wenigsten gerechnet. Mit einem Frontalangriff in Form von mehr Flügen und höheren Frequenzen und auch Flügen zu wichtigen Business-Airports wie London-City schon. Gerade erst hat Lufthansa beim eigenen Prämienprogramm die Bedingungen für die Stammkunden – auch für das Hauptklientel des Kranichs: die Geschäfstreisenden, für die Preis und Bordprodukt nicht ausschlaggebend sind – deutlich verschlechtert. Daher ist der Zeitpunkt keine große Überraschung.

Etihad Regional ist in dieser Form ein Frontalangriff auf die Lufthansa-Group und deren Geschäftsreisestammkunden. Kunden, die nicht besonders preissensibel, sondern vor allem bequem sind. Die nicht nach mit dem Zug nach von Verona oder Turin nach Mailand-Malpensa fahren, um von dort billig zu fliegen, sondern die mit dem Taxi zum Airport fahren und von der Haustür weg gepampert werden wollen. Norditalien, Genf, London-City, Cambridge. High-Yield-Märkte. Das dürfte Lufthansa weh tun. Doch einfach wird es nicht: Denn wer nach Tokyo oder Bangkok will, muss einmal mehr umsteigen: Verona-Abu Dhabi-Bangkok oder London-City – Düsseldorf-Abu Dhabi – Tokyo. Zudem hat die Saab 2000 relativ hohe Betriebskosten pro Sitzplatz. Und Lokalverkehr wird man zu kostendeckenden Preisen insbesondere auf Strecken ab Zürich gegen Swiss mit größerem Gerät und mehr Frequenzen und in Genf gegen easyjet und Swiss kaum bekommen.

Möglicherweise geht es aber zunächst auch nicht darum und die Saab 2000 sind gedacht, um die Strecken mit geringen Gesamtkosten warm zu fliegen und später gegen 70 oder 100 Sitzer operated by Darwin oder LGW einzutauschen, zumindest auf Strecken wie Zürich-Florenz oder Rom-Tirana, wo es auch ein hohes Lokalaufkommen gibt. Für Lugano, Cambridge, Graz, Linz und London-City ist die Saab 2000 sicher das passende Gerät.

Für Lufthansa  wird es langsam kritisch:  Wenn die Geschäftsführung nicht bereit ist, umzusteuern und faire Preise und gutes Produkt zu bieten, gibt es auf den Asienstrecken kaum eine Zukunft.  Foto: MaskosSpannend wird die Preisgestaltung auf den Strecken sein: Die Vermutung, dass es ab den High-Yield-Märkten vor allem teure Tickets abgesetzt werden sollen, liegt nahe: Dennoch ist es nicht so unwahrschinlich auch dort Aktionstickets zu sehen: So fliegt Darwin ja aktuell für Air France und KLM von Leipzig-Halle nach Paris CDG und Amsterdam mit einem Returnpreis von 199€ – bei den Wild Wednesdays waren die Aktionstickets aber auch ab Leipzig verfügbar, einige Tickets zum Beispiel nach Japan sogar günstiger als ab Frankfurt oder Düsseldorf, wo große Jets nach Paris fliegen. Wobei die 199€ natürlich extrem hoch gegriffen sind und eben genau die günstigeren Zubringerpassagiere quersubventionieren sollen.

Airportsammler können sich also Hoffnungen machen, ohne echte Aufpreise auch London-City, Cambridge, Lugano und Co als Startpunkt einer Asienreise beuschen zu können.

Ob das Konzept aufgrund der höheren Kosten der Saab 2000 und dem zusätzlichen Umstieg für die High-Yield-Passagiere aufgeht bleibt abzuwarten – leichte Zweifel sind angebracht. Denn gerade im italienischen Markt macht sich zuletzt auch Turkish Airlines breit – ein Weltklasseprodukt zu konkurrenzfähigen Preisen mit nur einem Umstieg in Istanbul. Während man beim Privatreisenden nicht viel teurer sein darf als die Angebote von Emirates, Qatar Airways und Turkish Airlines – da ein Privatreisender um einige Euros zu sparen eben kein Problem hat, aus Heathrow statt aus Cambridge oder London-City oder aus Malpensa oder Venedig statt aus Verona zu starten.

In jedem Fall dürften die Preise in Richtung Asien in nächster Zeit wohl eher sinken als steigen – eine gute Nachricht, nachdem auf dem Nord- und Südatlantikmarkt durch die American und US Airways Fusion und die LAN und TAM Fusion und die Allianzen die Preise ja leider nur eine Richtung kennen: Nach oben.

Da Air France und KLM bereits mit Etihad kooperieren und British Airways auf den Nordatlantik fokussiert ist, dürfte wohl vor allem die Lufthansagruppe unter Druck geraten. Nachdem der klassiche Privatreisende schon seit Jahren verloren ist, droht nun die Abwanderung des Business-Klientels auf den Asienrouten. Nun kann es sich furchtbar rächen, dass Lufthansa die Privatreisenden durch hohe Preise und schlechten Service und minimalste Meilengutschriften mehrheitlich längst vergrätzt und in die Arme von Emirates und Co getrieben hat.

Denn neben dem Engagement von Etihad wird auch Emirates die Anzahl der Sitzplätze ab Deutschland weiter erhhöhen – und dank kostenlosem Rail&Fly ist das Angebot auch für Privatreisende ab Dresden oder Münster interessant. 

Fast noch größer als die Konkurrenz durch Etihad ist die Konkurrenz vom Bosporus. Denn Turkish Airlines können so viele Städte in Deutschland anfliegen, wie es ihnen beliebt – Münster und sogar Kassel kommen hinzu und kann dank der Star Alliance auch Lufthansa Stammkunden ansprechen, da sie auch bei den Türken von ihren Statusvorteilen profitieren. Zudem kann Turkish Airlines die Langstrecken mit großem und pro Sitz billigerem Gerät wie der Boeing 737-800 feedern, da ein großer Lokalmarkt Deutschland-Türkei existiert. Bereits heute bedient Turkish Airlines mit Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Köln-Bonn, Leipzig-Halle, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart, München, Friedrichshafen, Basel, Genf, Zürich, Salzburg und Wien die wichtigsten Regionen. Und am goldenen Horn hat man große Pläne: Mehr als 100 Millionen Passagiere sind für die nahe Zukunft angepeilt.

Die Lufthansagruppe steht also nach diesem Sonntag vor noch größeren Herausforderungen als bisher. Bleibt für die Reisenden zu hoffen, dass Lufthansa den Kampf annimmt und mit einem verbesserten und konkurrenzfähigen Produkt zu sehr konkurrenzfähigen Preisen reagiert. Denn ansonsten wir die Luft langsam dünn.

Für den Reisenden jedenfalls ist es ein gutes Wochenende, das mehr Konkurrenz und damit günstigere Preise und noch mehr Verbindungen von Airlines mit einem Top-Produkt verspricht. Ein Sonntag, der die Luftfahrt in Europa verändert hat.

Die neuen Flüge werden über die gloablen Reservierungsysteme und auf den Webseiten von Air Berlin und Etihad Airways buchbar.